IQNA

Hebräischer Sprachanalytiker schrieb:

Siedlungspolitik und gefährlicher Wandel im Westjordanland

17:43 - July 02, 2023
Nachrichten-ID: 3008623
Al-Quds (IQNA)- Die extremen Siedler im Westjordanland verfolgen dasselbe Ziel, das der amerikanische Siedler 1988 vertrat: Vertreibung der Palästinenser! Sie unterstützen zweifellos die antipalästinensische Politik Tel Avivs und glauben wahrscheinlich sogar, dass ihr Traum ihre palästinensischen Nachbarn zu vertreiben nun offizielle Regierungspolitik sei.

Laut IQNA schrieb Ori Nir, ein ehemaliger Haaretz-Reporter, in einer Notiz, die er in der New York Times veröffentlichte und bezog sich dabei auf die israelische Siedlungspolitik: Im April 1988 nahm er als Haaretz-Reporter an der Beerdigung eines 15-Jährigen Siedler teil, der in der West-Bank lebte. Ich nahm an einem Baktrier namens Tirza Porat teil, der versehentlich von einem anderen Siedler erschossen wurde. Porat befand sich in einer Siedlung in der Nähe der Stadt Nablus als er nach einem Konflikt zwischen Palästinensern aus einem nahegelegenen Dorf und Siedlern versehentlich von einem Siedler getötet wurde.

Bei seiner Beerdigung riefen die Anführer der Siedler zur Rache auf. Ein Siedler skandierte wiederholt mit starkem amerikanischen Akzent: Girosh! Girosch! (entlassen). Später, nachdem sich die Menge zerstreut hatte, erzählte mir der Siedler, dass er kürzlich aus New York eingewandert sei und dass er die Araber aus dem „gelobten Land“ vertreiben wolle.

Als ich die jüngste Welle der Gewalt im Westjordanland verfolgte, hallte sein Slogan in meinen Ohren wider.

Letzte Woche töteten zwei Palästinenser in der Nähe der Siedlung Eli vier Israelis und verletzten vier weitere. Am nächsten Tag gingen etwa 400 Siedler in mehrere palästinensische Dörfer in der Nähe von Ramallah und zündeten Berichten zufolge Autos und Häuser an. Der Angriff folgt auf eine Flut von Angriffen in diesem Jahr die, wie die Times im Februar feststellte zu den schlimmsten Siedlergewalttaten gegen Palästinenser in ihrer Geschichte zählten. Seit Januar haben mehr als 440 Siedler Palästinenser im Westjordanland angegriffen.

Tatsächlich scheint es mir klar zu sein, dass die extremistischen Siedler im Westjordanland heute dasselbe Ziel verfolgen, das amerikanische Siedler 1988 befürworteten: die Vertreibung der Palästinenser! Sie unterstützen zweifellos nachdrücklich die neue israelische Regierung – die bislang siedlungsfreundlichste und antipalästinensischste Regierung – und glauben wahrscheinlich sogar, dass ihr Traum ihre palästinensischen Nachbarn zu vertreiben nun offizielle Regierungspolitik sei.

Wie kam es zu dieser Situation?

Im Laufe des letzten Vierteljahrhunderts schuf das Zusammentreffen immer größer werdender Bauprojekte in den besetzten Gebieten und einer größeren Gleichgültigkeit gegenüber der Gewalt der Siedler ein toxisches Klima der Laxheit und Verantwortungslosigkeit. Dabei akzeptierten immer mehr Israelis die Ansicht, dass von jüdischen Siedlern bewohnte Gebiete im Westjordanland Teil Israels geworden seien.

Natürlich sind nicht alle Westjordanländer radikale Juden, die glauben, dass das Leben im Land der Bibel ein religiöser Auftrag ist. Tatsächlich ziehen die meisten Einwanderer darunter Hunderttausende ultraorthodoxe Juden auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum dorthin. Während es schwierig, ist die Ideologie der Siedler zu erkennen, die an der jüngsten Anschlagsserie beteiligt waren, ist es wahrscheinlich dass viele von ihnen zur ersten Gruppe (orthodoxe Extremisten) gehören.

Doch selbst mit der zunehmenden Besetzung der besetzten Gebiete seit Anfang der 1990er Jahre war die Idee der „Säuberung des palästinensischen Landes“  was „Vertreibung der Palästinenser aus ihrem Heimatland“ bedeutet, scheint für alle Israelis einschließlich der Siedler erreichbar.

Viele Jahre lang konzentrierte sich die ultranationalistische Siedlerstrategie hauptsächlich auf Rache an den Palästinensern und die Aufrechterhaltung ihrer illegalen Siedlungen (Siedlungen, die ohne staatliche Genehmigung und unter Verstoß gegen israelisches Recht errichtet wurden).

Die Angriffe der extremistischen Siedler auf Palästinenser waren eine Möglichkeit diese Zentren zu schützen. Die Angriffe veranlassten israelische Beamte, die eine Eskalation der Gewalt zwischen den beiden Gruppen verhindern wollten, alle Bemühungen zur Auflösung der illegalen Siedlungen aufzugeben.

Mehrere Male nach der Unterzeichnung des Oslo-Abkommens im Jahr 1993, als ein israelisch-palästinensisches Abkommen in greifbarer Nähe schien, fragte ich extremistische Siedlerführer was ihre alternative Vision für eine Zwei-Staaten-Lösung oder ein anderes Friedensabkommen mit den Palästinensern sei. Mehr als einmal lautete die Antwort: Das ist „Wunderland“! Wir beten für ein Wunder. Für mich bedeutete dieses Wunder, dass Israel durch göttliches Eingreifen in der Lage sein würde das Land im Westjordanland ohne palästinensischen Bewohner einzunehmen.

Zu dieser Zeit konnte ein solcher Wunsch aufgrund des politischen Klimas nicht geäußert werden sodass diese extremistischen Führer auf Interpretationen zurückgriffen.

Von allen internationalen Verpflichtungen zurücktreten

Doch in den letzten Jahren äußerten israelische Politiker offen ihren Wunsch mehr Teile des Westjordanlandes zu annektieren und das noch bevor Naftali Bennett Premierminister wurde. Heute, da die Regierung viel stärker auf ihrer Seite steht, scheint diese Idee für extreme Siedler realisierbar zu sein.

Der rechtsextreme israelische Kabinettsminister Bezalel Smotrich, selbst ein Siedleraktivist, ist jetzt Finanzminister. Die neue Regierung Israels hat sich zu einer Politik verpflichtet, die darauf abzielt , die Präsenz Israels zu stärken und den palästinensischen Fußabdruck im Gebiet C [den drei Fünfteln des Westjordanlandes, das unter direkter israelischer Militärkontrolle steht] zu verringern.

Gemäß den Oslo-Abkommen soll dieses Gebiet schrittweise an die Palästinensische Autonomiebehörde übergeben werden steht jedoch weiterhin unter der Kontrolle von Tel Aviv. Dieses Gebiet umfasst 60 % des Westjordanlandes und umfasst alle jüdischen Siedlungen. Tel Aviv erließ gerade eine neue Richtlinie, die den Prozess der Genehmigung von Siedlungen beschleunigt und Pläne für den Bau von mehr als 4.000 neuen Wohneinheiten vorschlägt.

Die Biden-Regierung verurteilte die Siedlergewalt und Israels Versäumnis, dagegen vorzugehen, sowie die Siedlungserweiterungspolitik Tel Avivs. Washington reagiert auf die Siedlergewalt vor allem als das Versäumnis der israelischen Behörden das Gesetz gegen gewalttätige Siedler durchzusetzen und sieht die Siedlungspolitik als Hindernis für ein zukünftiges Friedensabkommen. Beides ist wahr aber gehen nicht auf die Aussicht ein dass diese Politik und Maßnahmen die Palästinenser aus dem Westjordanland vertreiben sollen.

 

Fortsetzung des gefährlichen Prozesses der Unterstützung von Siedlern

Im Mai packte die gesamte Bevölkerung von Ain Samiya, einer kleinen palästinensischen Gemeinde mit etwa 200 Einwohnern nordöstlich von Ramallah, ihre einfachen Habseligkeiten und floh nach unerbittlichen Angriffen benachbarter Siedler aus ihren Häusern. Khader, Vater von neun Kindern, sagte gegenüber Haaretz: „Wir haben uns aus Angst vor den Siedlern entschieden das Land zu verlassen. Ich bin zu meinen Kindern gegangen. Mein jüngstes Kind sagte: Ich will hier nicht leben! Die Siedler kommen und werfen Steine. Sie könnten mich morgen töten.

Wenn Siedler ihre palästinensischen Nachbarn wiederholt und brutal ermorden, hatten ihre Aktionen kaum Konsequenzen. Die israelischen Behörden verfolgen oder verurteilen sie selten. Bei einigen jüngsten Angriffen wurde sogar nachgewiesen dass israelische Armee- und Polizeibeamte nicht reagierten als Siedler palästinensische Dörfer angriffen und in Brand steckten.

Letzte Woche kündigte Benjamin Netanjahu Pläne an sofort mit dem Bau von 1.000 neuen Häusern in den Siedlungen zu beginnen in denen als Reaktion auf den palästinensischen Angriff vier Israelis getötet wurden.

Es ist ein dramatischer Bruch von den Versprechen die Israel machte als Siedler im Februar Gebäude in mehreren palästinensischen Dörfern niederbrannten und zerstörten. Bei dem Treffen in Aqaba, das in Anwesenheit der Vereinigten Staaten, Ägyptens und Jordaniens stattfand, sprachen Palästinenser und Israelis zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren wieder miteinander, und beide Seiten betonten erneut die Notwendigkeit sich zu einer Reduzierung der Spannungen zu verpflichten.

Der Bau von tausend neuen Häusern für jüdische Einwanderer wird wahrscheinlich nichts reduzieren. Die Biden-Regierung und ihre arabischen Nachbarn dürfen nicht zulassen dass Tel Aviv sein Versprechen bricht Gewalt seiner eigenen Bürger zu verhindern. Seit Porats Tod sind 35 Jahre vergangen und die blinde Gerechtigkeit, die der Siedler bei seiner Beerdigung so vehement verteidigte, ist gefährlich normal geworden.

Übersetzung ins Persiche: Mohammad Hasan Gudarzi

Übertragung vom Persichen ins Deutsch: Stephan Schäfer

 

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